Dass die Digitalisierung auch die Kfz-Wirtschaft im Griff hat, ist kein Geheimnis. Inzwischen gibt es auch Ersatzteile aus dem Netz. Lohnt sich der Griff zur Tastatur oder ist der Kfz-Profi besser bei seinem Großhändler aufgehoben? Und: was tun, wenn der Kunde sein online gekauftes Teil mit zur Reparatur bringt?
Der Markt für Auto-Ersatzteile ist in Bewegung. Das sieht man allein daran, dass in den letzten Jahren einige Teilehandelsunternehmen den Besitzer gewechselt haben. Die große Unbekannte in diesem Spiel ist allerdings eine ganz andere: die Welt der online verkauften Ersatzteile.
Auch wenn heute die meisten dieser Teile an Privatkunden verkauft werden: das kann sich schnell ändern. Denn so mancher Online-Händler hat die Zielgruppe der Werkstätten schon im Visier. So oder so kommt keine Werkstatt an dieser Entwicklung vorbei. Denn oft genug bringen Autofahrer ein online gekauftes Teil mit zur Reparatur. Für jeden Verantwortlichen ist es deshalb Pflicht, zu wissen, was das eigentlich für Teile sind.
Die Antwort auf diese Frage ist gar nicht so einfach. Denn in den Shops wird mit Ware unterschiedlicher Qualität gehandelt. Die Mär, dass online nur minderwertige Teile ungeklärter Herkunft verkauft werden, hält sich hartnäckig. Die gibt es auch. Bei seriösen Händlern werden sie aber auch so angeboten. Den Kunden ist in der Regel klar, auf welche Qualität sie sich einlassen und sie wollen es so. Aus unterschiedlichen Gründen. Dass Werkstätten solche Teile nicht verbauen möchten, ist klar.
Noch schlimmer ist es bei gefälschten Teilen. Denn wer sie einbaut, wird früher oder später ein Problem bekommen. Mehr und mehr online verkaufte Ersatzteile jedoch sind qualitativ hochwertige Marken-Ersatzteile. Aber: wo kommen die eigentlich her?
Keiner gibt die Einkaufsquellen preis
Eine richtig offizielle Antwort hierzu geben weder die Online-Shops selbst, noch die Teilehersteller. Die Online-Shops wollen ihre Einkaufsquellen nicht verraten, die Teilehersteller den Handel nicht verprellen. Darüber hinaus spielt in diesem Spiel auch der klassische Ersatzeilhandel mit, aber nicht mit offenen Karten. So vertreibt der Kölner Händler Hess seine Ware gleich über zwei Shops. Das passiert im so genannten Streckengeschäft. Das bedeutet, dass der Online-Shop das gesamte Verkaufsgeschäft zwar selbst abwickelt, die Ware jedoch im Haus des Teilehändlers bleibt. Kommt eine Online-Bestellung, wird sie direkt vom Hess-Lager aus an den Endkunden versandt.
Man kann davon ausgehen, dass hier genau die Teile über den Tisch gehen, die auch die Partner des Ersatzteilhändlers verwenden. Nur kann der Online-Kunde sie zu ähnlichen Konditionen erwerben wie dies auch die Werkstatt tut. Einziger Unterschied: die Belieferung. Profitiert beim klassischen Ersatzteilhandel die Werkstatt von der schnellen Lieferung des Ersatzteilhändlers, muss sich der Online-Kunde mit der Auslieferung über einen Paketdienst zufrieden geben.
Außerdem wird auf diesem Weg der Händler die Teile los, die er ansonsten vielleicht schlechter verkaufen kann. So fungiert ein Teil dieses Geschäfts wohl auch als Reste-Rampe des klassischen Ersatzteilhandels. Klar ist: die Qualität der auf diesem Weg vertriebenen Ware steht der des Teilehändlers in nichts nach.
Online: keine schlechte Qualität
Trotz allem: auf Anfrage war nur einer von insgesamt sechs angefragten Shops bereit, über die Herkunft der angebotenen Ware Auskunft zu geben.
So antwortete Burkhard Rupprecht, Geschäftsführer von autoteilemann.de:
„Die Autoteilemann GmbH kauft beim Großhandel in Deutschland und innerhalb der EU sowie bei der Industrie direkt. Wir importieren nicht, wie einige andere eCommerce-Händler, aus Asien.“
Es ist also davon auszugehen, dass hier keine minderwertige Ware verkauft wird. Rupprecht führt weiter aus: „Im Gegensatz zum Teilehandel müssen wir nicht die komplette Sortimentsbreite für die Werkstatt vorhalten, so dass wir auch Angebotsware, Posten und Ware aus Lagerbereinigungen und Insolvenzen kaufen können. Hinzu kommt, dass es kein einheitliches Preisniveau innerhalb Europas gibt, so dass wir häufig Verschleißteile aus anderen europäischen Ländern günstig importieren können. Auch gibt es in der Logistik Einsparungen, da die Ware nicht flächendeckend vor Ort gelagert werden muss, sondern zentral verschickt wird.“ Man munkelt übrigens, hinter autoteilemann.de stecke ein großes Teilehandelsunternehmen aus Osnabrück. Der Sitz der Firma liegt heute in Berlin, war aber früher tatsächlich ebenfalls in Osnabrück. Offenbar möchte hier der klassische Teilehandel den Fuß in die Online-Tür bekommen.
Warum alle anderen Online-Händler mauern, darüber können wir hier nur spekulieren. Offenbar haben sowohl die Teileindustrie als auch der klassische Ersatzteilhandel ein Interesse daran, zu verschleiern, wer die eigenen Teile weiter verkauft. Schließlich wollen diese Player nicht ihre angestammte Kundschaft vergraulen.
Re-Import macht die Preise klein
Ein Branchen-Insider wird etwas konkreter. Er sagt, die großen Teilehersteller lieferten direkt an die Online-Verkäufer. Gleichzeitig gibt es offenbar einen schwunghaften Handel mit re-importierten Teilen. Die kommen aus der Türkei, aus Dubai oder über den Balkan in die deutschen Online-Shops. Verkauft werden sie wohl mit einem Rabatt von bis zu 50 Prozent gegenüber dem Einkaufspreis des deutschen Großhändlers. Im selben Zug nutzen die geschickten Einkäufer Schwankungen der Wechselkurse und schlagen so noch so manchen Euro raus.
Da wird schnell klar, warum vor allem der Großhandel aktuell vor Teilen aus dem Internet warnt. Das heißt natürlich nicht, dass die Ware immer von der selben Qualität ist wie die vom Teilehändler vor Ort. Es kann schon sein, dass hier qualitativ schlechtere Teile zum Einsatz kommt. Wenn aber klar ist, dass es sich um ein offiziell gekauftes Marken-Ersatzteil handelt, spricht eigentlich nichts dagegen, es auch zu verwenden.
Werkstätten könnten also zum Beispiel bei planbaren Reparaturen auch Teile einsetzen, die sie selbst online gekauft haben, sofern Qualität und Preis stimmen. Einfacher und in der Regel auch günstiger ist dagegen für die meisten der Einkauf wie bisher bei ihrem Teilehändler vor Ort. Der liefert schnell und zuverlässig und das meist ohnehin zu konkurrenzfähigen Preisen. Ein Preisvergleich kann sich jedoch lohnen, gerade bei älteren Fahrzeugen oder bei seltenen Teilen. Es versteht sich von selbst, dass in solchen Fällen ein angepasster Stundenverrechnungssatz angesetzt wird. Sonst fehlt die Marge aus dem Teileverkauf.
Eigenmarken können Alternative sein
Die Teilehändler bieten ebenso wie die Onliner eigene Ersatzteilmarken zu günstigen Konditionen an. Sie sind in der Regel von guter Qualität, kommen aber nicht von den Erstausrüstern. Wer seinen preisbewussten Kunden Teile für die zeitwertgerechte Reparatur anbieten möchte, ist mit solchen Teilen meist gut bedient.
Kommt ein Kunde mit einem online gekauften Teil in die Werkstatt kann man es einbauen, sofern nachvollziehbar ist, von welcher Qualität es ist. Selbstverständlich sollte man als Werkstatt hier einen anderen Stundenverrechnungssatz berechnen als bei Teilen vom angestammten Großhändler. Denn der normalerweise für den Auftrag kalkulierte Erlös aus dem Ersatzteilverkauf entfällt ja bei einem solchen Auftrag. Ist nicht klar, woher das Teil kommt und von welcher Qualität es ist, sollte man als Werkstatt auch die Finger von diesem Geschäft lassen.
Dem Kunden kann man dann den Tipp geben, dass er das Teil online gekaufte Teil ja noch zwei Wochen nach dem Kauf ohne Angabe von Gründen zurückgeben kann. Das macht das Fernabsatzgesetz möglich, das Kunden dieses Recht einräumt. Die Versandkosten dagegen sind dadurch nicht immer abgedeckt. Das ist von Shop zu Shop unterschiedlich. Und ob der Preis des verwendeten Ersatzteils dann im Einzelfall abweicht, muss jeder für sich prüfen.
Dieser Artikel ist in der Zeitschrift kfz-betrieb erschienen (Ausgabe 27-28 / 2016)